Optimierung von Messwandlern und Sensoren mit Multiphysik-Simulation

Anwendungsbereiche von Messwandlern (Instrument Transformators, ITs) umfassen die Messung, die Überwachung, den Schutz und die Kontrolle von Energiesystemen. Zum Schutz vor Systemausfällen und zur Aufrechterhaltung von Stromnetzen setzt ABB für das Design der ITs Multiphysik-Simulation ein.


Von Brianne Christopher
Dezember 2019

Ein Stromausfall kann ein paar Stunden, Tage, Wochen oder sogar Monate dauern. Unabhängig davon, wie lange ein Stromausfall dauert, ist er eine frustrierende und störende Erfahrung. Ein Stromausfall kann sogar gefährlich sein, wenn er bei extremer Hitze oder Kälte auftritt. Um die Stabilität des Stromnetzes, den Schutz und die finanzielle Rentabilität zu gewährleisten, setzt ABB Multiphysik-Simulationen und -Apps ein, um optimierte elektrische Designs zu entwickeln, insbesondere Messwandler und Sensoren.

Ein IT besteht aus einer, an einer Hochspannungs- oder Hochstromkreis angeschlossen Primärwicklung und einem Zähler oder Relais, angeschlossen an einen Niederspannungs- oder Niederstrom-Sekundärkreis. Herkömmliche ITs basieren auf Standardtechnologie und sind seit mehr als 100 Jahren im Gebrauch, meist in Zählern und Relais. Sie bestehen aus einem ferromagnetischen Stromkreis und können Energie von der Primärwicklung zur Sekundärwicklung übertragen.

Intelligente elektronische Geräte (IED) sind erst in den letzten 20 Jahren im Gebrauch. Statt ferromagnetischer Materialien bestehen diese Transformatoren aus kontaktlosen Komponenten. Da sie nicht in der Lage sind, Energie von der Primär- zur Sekundärwicklung zu übertragen, haben sie eine niedrige Ausgangsleistung. Das macht sie für viele Innen- und Außenanwendungen geeignet, wie etwa luft- und gasisolierte Umgebungen, an Leitungsmasten und als leitungsmontierte Transformatoren.

„IEDs sind sicherer, vielseitiger und haben ein lineares Ansprechverhalten für ein breites Spektrum von Eingangssignalen“, sagt Nirmal Paudel, beratender F&E-Ingenieur bei ABB.

Vielfältige Überlegungen zu Simulation und Design

Während des Designs eines IT müssen mehrere Multiphysik-Faktoren berücksichtigt werden. Ein erfolgreicher Entwurf sollte die ohmsche und induktive Erwärmung, die induktive und kapazitive Kopplung, die magnetische Sättigung und die Magnetostriktion erfassen. Allerdings müssen auch Phänomene wie Fluidströmung, konvektive Kühlung, Wärmeausdehnung, externe Lasten und Stromkreise, Schall und Schwingungen und der Skin-Effekt in Betracht gezogen werden (Bild 1).

Bild 1: Mehrere physikalische Faktoren beeinflussen die Konstruktion eines Messwandlers.

Um ein breites Spektrum von physikalischen Effekten abzudecken, verwendet ABB die Software Comsol Multiphysics. Ein Beispiel ist die Simulation der elektrischen Felder der Messwandler, die sowohl durch Hohlräume im Epoxidguss als auch während des Grundimpulsniveaus (basic impulse level, BIL) verursacht werden. Anhand dieser Ergebnisse können die Forscher erkennen, wie wirksam die Isolationsschichten und dielektrischen Materialien das Gerät schützen. Die Software wird zudem zur Durchführung thermischer Analysen verwendet, wie z. B. bei der Berechnung der Kern- und Widerstandsverluste eines Netzspannungstransformators in der Primär- und Sekundärspulenwicklung oder bei der Ermittlung des Wärmeflusses im Gehäuse des Messwandlers. Ein dritter Anwendungsbereich ist die Strukturanalyse. Das ABB-Team berechnet das Belastungsniveau des Messwandlers, um die Geometrie bereits vor dem 3D-Druck zu optimieren (Bild 2).

Bild 2: Struktursimulationen werden zur Geometrieoptimierung eines IT verwendet.

Sehr schnelle Ergebnisse für sehr schnelle transiente Phänomene

Very fast transient Phenomena (VFT) sind ein wichtiger Faktor, der bei Stromnetzgeräten zu berücksichtigen ist, bei denen ein Schalten erforderlich ist, wie zum Beispiel bei Vakuum-Leistungsschaltern. Wenn ein Schaltvorgang ein VFT verursacht, kann dies das Isolationssystem belasten und innere Resonanzen in der Primärwicklung eines Transformators verursachen. Die Verteilung der transienten Überspannung führt, wenn sie hochgradig nichtlinear wird, zu innerem Versagen.

VFT-Überspannungen (VFTO) treten häufig in der Nähe von erneuerbaren Energiequellen auf, wie Windkraft, da die neue Netzgeneration, die Lasten und Leitungen andere Eigenschaften aufweisen und es häufiger zu Schaltungen kommt. Die VFTO-Steilheit kann dabei bis zu drei MV/Mikro-Sekunden erreichen, deutlich steiler als ein Blitzeinschlag. Herkömmliche Entwurfsansätze zu ITs erzielen keine ausreichenden Ergebnisse, um VFTO standzuhalten. Das liegt daran, dass diese Entwürfe ausgiebige Modellierung von hochfrequenten Spannungsverteilungen in den Spulen erfordern, für die keine Softwaremodelle existieren – bis jetzt. ABB hat in Kooperation mit der Hochschule für Technik in Rapperswil ein Tool erstellt, um dieses Verhalten in einem IT zu modellieren und die Spannungsverteilung Schritt für Schritt zu verstehen. Die Ergebnisse? Neue Designmethoden und ein neuer Trockenisolationstyp, der den negativen Auswirkungen einer VFTO standhalten kann.

Zweiteiliger Kabelumbauwandler

Split-Core-Design ermöglicht die Stromnetzinstandhaltung ohne jegliche Störungen. ABB begann einen zweiteiligen Kabelumbauwandler (Sensor) zu entwerfen, der hochgradig präzise Strommessungen ermöglicht, während andere Geräte das Schalten übernehmen. Der Schaltungsbedarf wird von IED basierend auf Signalen des Sensors bewertet. Der Sensor ist wasserfest und tauchfähig, damit er auch im Erdboden verwendet werden kann. Dieser Split-Core-Sensor bringt seine eigenen Herausforderungen mit sich, darunter seine Form, seine Größe und sein Gewicht sowie seine Wicklungszahl, seine Kernform und Kerngröße (Bild 3).

Bild 3: Schematische Darstellung eines zweiteiligen Kabelumbauwandler-Modells.

Darüber hinaus besteht das Risiko von Stromüberlagerungen, abhängig von der Konfiguration des Gerätes. Zuletzt muss der Sensor den Industriestandards IEEE und IEC entsprechen, bevor er für Herstellung und Nutzung getestet werden kann. Das ABB-Team setzte die Software ein, um den Entwurf des Split-Core-Stromsensors vor der Prototyp-Erstellung zu optimieren. Paudel verwendet die Software schon seit langer Zeit und genießt die „Benutzerfreundlichkeit und die Tatsache, dass sie dasselbe Interface für mehrere physikalische Beschreibungen hat und leicht mit anderen physikalischen Phänomenen gekoppelt werden kann“.

Die Comsol-Software enthält integrierte Einstellungen, um das Maxwell-Ampère-Gesetz zu implementieren und ein Interface, um magnetische Felder im Frequenzbereich zu lösen (Bild 4). Durch die Verwendung von geometrischer Symmetrie, muss das ABB-Team nur eine Viertel-Spule modellieren, was Zeit, Aufwand und Rechenressourcen spart. Ein spezielles Feature zur Spulenmodellierung ermöglichte es dem Team, eine Primärspule als Massivleiter und eine Sekundärspule als homogenisierte Multiturn-Spule einzurichten. Mit den Solver-Funktionen kann das Team die Einstellungen zwischen massiven und homogenisierten Leitern sowie zwischen massiven Leitern und Drähten leicht anpassen.

Bild 4: Magnetfluss und Stromdichte des zweiteiligen Kabelumbauwandlers.

Simulations-Apps bieten schnelle Berechnungen

Ein zeitaufwändiger Teil ist die Umrechnung zwischen einer nichtlinearen magnetischen B-H-Kurve (DC-Magnetisierung) und einer äquivalenten AC-effektiven H-B-Kurve. ABB verwendete zur Berechnung eine Beispielanwendung der Application Library. Der ermittelte Wert wurde anschließend eingesetzt, um den Magnetkern des Split-Core-Stromsensors zu modellieren. Sie fanden heraus, dass die magnetische Permeabilität aufgrund der Abnahme der magnetischen Flussdichte im gesamten Kern nahezu linear ist. Gestützt auf diese Ergebnisse schlussfolgerte das Team, dass homogene anisotrope Leitfähigkeit und Permeabilität verwendet werden sollen.

Die Simulationsergebnisse der magnetischen Fluss- und Stromdichte zeigten, dass das Flussniveau sehr gering ist, was ideal für ihren Mittelspannungs-Anwendungsfall ist. Darüber hinaus bemerkte die Gruppe etwas Interessantes: Wenn die Anzahl der Windungen der Sekundärspule erhöht wird, erhöht sich in der Regel auch die Leerlaufspannung. Last jedoch über die Spule angeschlossen wird, steigt die Spannung nicht immer an, sondern nimmt manchmal sogar ab.

Eine der abschließenden Analysen befasste sich mit den dreiphasigen Überlagerungen für verschiedene Konfigurationen bei der Konstruktion von Split-Core-Stromwandlern. Sie fanden heraus, dass sich die Überlagerungen unterschieden, je nachdem, ob die Sekundärspulen näher oder weiter entfernt von den Luftspalten des Transformators platziert waren.

Optimierte Designs und verbesserte Entwicklungsprozesse

ABBs letzte Entwurfsiteration erfüllte die IEEE -und IEC-Normen (Bild 5). Für eine weitere Verbesserung des Entwicklungsablaufes arbeitet das Team an einem weiterführenden Analyse-Werkzeug für VFTO- und Transformatoren, das die Dauer der Analyseprozesse von Wochen zu Tagen verringert. Das Tool wird hauptsächlich auf Matlab zurückgreifen, bietet aber möglicherweise eine Integration mit der Comsol-Software via LiveLink for Matlab. Die Pläne für dieses neue Werkzeug zeigen, dass ABB sich gleichermaßen dem Optimieren von Workflows und Prozessen widmet, wie dem Erreichen von Endergebnissen.

Bild 5: Der tauchfähige Split-Core-Sensor.
Bild 6: Das ABB-Team, von links nach rechts: Vivek Siddharth, Steve Shaw, David Raschka, und Nirmal Paudel.




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