Eine Einführung in die Physik von Schnelltests

20. Apr 2021

Die COVID-19-Pandemie hat der Welt schmerzlich vor Augen geführt, wie wichtig die Rückverfolgung von Kontaktpersonen ist. Um den Ausbruch einer Virusinfektion eindämmen zu können, muss man wissen, wer infiziert ist und wann und wo sich diese Person infiziert hat. Der Mangel an diesem Wissen hat die meisten Länder der Welt gezwungen, Beschränkungen und Lockdowns einzuführen, die zu schweren gesellschaftlichen Störungen und einer weltweiten wirtschaftlichen Rezession geführt haben.

Die Entwicklung von Schnelltests hat die Rückverfolgung von Kontakten in kritischen Bereichen der Gesellschaft ermöglicht, die nicht stillgelegt werden können, wie z. B. das Gesundheitswesen und die Lebensmittelversorgung. Der Zugang zu kostengünstigen Tests hat es den Menschen auch ermöglicht, sich selbst zu diagnostizieren und entsprechend zu isolieren, wenn sie infiziert sind. Dies hat mit dazu beigetragen, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Südkorea und Deutschland haben erfolgreich die Testung in größerem Umfang eingesetzt, um die Pandemie in allen Bereichen der Gesellschaft einzudämmen (Ref. 1).

Ein möglicher Schnelltest zum Nachweis von COVID-19 basiert auf einem Lateral-Flow-Assay (LFA), auch Lateral-Flow-Immunoassay (LFIA) oder immunchromatographischer Test genannt. Der Standard-Schwangerschaftstest, den man in Supermärkten kaufen kann, ist wahrscheinlich die bekannteste Anwendung eines LFA. Das LFA bietet einen kostengünstigen, relativ zuverlässigen, robusten und einfach anzuwendenden Test für viele Krankheiten (Ref. 2).

In dieser zweiteiligen Blog-Serie verwenden wir die Software COMSOL Multiphysics®, um die Funktion von LFA-Geräten und die Herausforderungen zu verstehen, die sich einem Ingenieur beim Design dieser Geräte stellen.

Die Mechanismen eines LFA-Schnelltests

Wenn wir die Mechanismen dieser Schnelltests betrachten, sehen wir ziemlich fortschrittliche, aber sehr robuste Mikrolabore.

Prinzip eines Schnelltests mit beschrifteten Komponenten, einschließlich der Probenvertiefung, der Konjugat- und Adsorptionsbereiche, der Membran, des Gehäuses und des Sichtfensters.
Schematische Zeichnung eines Schnelltests. Um die Struktur zu zeigen sind die Membranen und Pads fünfmal so dick dargestellt. Die Anordnung der Pads und der Membran kann als ein Teststreifen bezeichnet werden.

Der Test besteht aus folgenden Teilen (wie in der Abbildung oben zu sehen):

  • Sample-Pad
  • Konjugat-Pad
  • Membran
  • Absorptions-Pad, auch Wick Pad genannt

Zusammengesetzt ergeben die verschiedenen Komponenten (Pads und Membran) den Teststreifen. Der Teststreifen ist durch ein Plastikgehäuse geschützt (Ref. 3).

Die Pads und die Membran sind porös. Die Porenwände sollten von der Probenflüssigkeit benetzt werden. Die Probe kann vorbereitet werden, bevor sie auf den Teststreifen aufgetragen wird, oder sie kann im Sample Pad vorbereitet werden. Die Probe wird durch Mischen von Blut oder Speichel mit einem Puffer gewonnen. Der Puffer kann Referenz-Antikörper und andere Chemikalien, wie z. B. Lösungsmittel, enthalten, die sicherstellen, dass die Probe die Porenwände der verschiedenen Komponenten benetzt.

Das Sample-Pad nimmt die Probentröpfchen auf und fungiert als Verteiler des Flusses und als Filter. Sehr große Proteine und Blutzellen werden in der porösen Struktur des Sample Pad eingeschlossen. Außerdem sorgt die poröse Struktur dafür, dass die Probenflüssigkeit gleichmäßig über die Breite des Pads verteilt wird. Sobald die Probe das Sample-Pad gefüllt hat, fließt sie weiter in Richtung des Konjugat-Pads. Die treibende Kraft für den Fluss ist die Kapillarkraft, die durch die Wechselwirkung der Flüssigkeit mit den Porenwänden verursacht wird.

Im Konjugat-Pad löst die gefilterte Probe Reagenzien, so genannte Konjugatmarkierungen, auf, die bei der Herstellung auf das Konjugat Pad aufgebracht worden sind. Bei den Markierungen handelt es sich in der Regel um Antigene, die z. B. an die Oberfläche von Gold-Nanopartikeln gebunden sind. Ein Antigen kann ein Protein sein, das im Immunsystem Antikörper auslöst. Diese Markierungen können sich an die Antikörper in der Probe anlagern und einen Komplex aus Antikörpern und Konjugatmarkierungen bilden. Die Komplexe werden in der Probenflüssigkeit aufgelöst. Sie können aus Markierungen bestehen, die an Antikörper des Patienten gebunden sind, und aus Markierungen, die an Referenz-Antikörper gebunden sind, die während der Vorbereitung in die Probe gemischt werden. Sobald die Probe die Poren des Konjugat-Pads gefüllt hat, wird sie durch die Kapillarkraft zur Membran befördert.

Die Probe fließt weiter durch die Membran. Die Membran besteht in der Regel aus poröser Nitrozellulose, es können aber auch andere Materialien verwendet werden. Verschiedene Proteine und chemische Stoffe können auch mit den Porenwänden der porösen Membran in Wechselwirkung treten. Einige Arten können an den Porenwänden adsorbieren und desorbieren. Diese Wechselwirkung führt dazu, dass verschiedene Spezies entlang des Flussweges getrennt werden, je nach Größe der Moleküle der Spezies und ihrer Affinität zur Wechselwirkung mit der Porenoberfläche. Dieser Vorgang wird mit dem Begriff “Immunochromatographie” umschrieben.

Schematische Darstellung eines Schnellteststreifens mit vergrößertem Ausschnitt, der zeigt, wie die Probenflüssigkeit die poröse Membran erreicht.
In dieser Abbildung hat die Probenflüssigkeit gerade die Membran erreicht. Die Vergrößerung zeigt einen rechteckigen Ausschnitt von etwa 1 µm Seitenlänge. Der durchschnittliche Porendurchmesser ist etwa 0.5 µm. Zum Vergleich: Die Membran ist 125 µm dick (Ref. 3). Die Probenflüssigkeit ist in hellblau dargestellt. Die Membran besteht aus einem festen Netzwerk, wie ein Skelett, wobei die Poren 70% des Membranvolumens ausmachen. Die Probenflüssigkeit benetzt die Wände der Skelettstruktur, die Porenwände, und wird über die Kapillarkräfte in Richtung der blauen Pfeile in die luftgefüllten Poren transportiert. Zur besseren Veranschaulichung ist die Stärke der Teststreifens in dieser Zeichnung fünfmal so stark dargestellt.

Sobald die Probe mit einer Testlinie in Kontakt kommt, kann sich einer der Komplexe an eine bestimmte Oberflächenspezies anlagern, die im Bereich dieser Testlinie vorhanden ist. Eine solche Oberflächenspezies kann ein Antikörper sein, der auf der Oberfläche der Testlinie fixiert ist. An jede Testlinie kann ein spezifischer Komplex gebunden werden. Dabei ist zu beachten, dass die Oberflächenspezies im Bereich der Testlinie stationär ist; sie wird weder aufgelöst noch von der Probe transportiert. Sobald sich ein Komplex an die Testlinie anlagert, ändert sich die Farbe des Bereichs der Testlinie. Die Farbe zeigt also an, dass sich ein spezifischer Komplex eines spezifischen Antikörpers an die spezifische Testlinie gebunden hat.

Die letzte Testlinie auf der Membran ist die Kontrolllinie. Die Kontrolllinie sollte immer das Vorhandensein des Komplexes aus dem Referenz-Antikörper und der Konjugatchemikalie nachweisen, da der Referenz-Antikörper immer mit der Probe vermischt wird. Wenn die Kontrolllinie diesen Komplex nicht nachweist, bedeutet dies, dass die Probe den Teststreifen nicht korrekt durchlaufen hat. Der Test sollte dann verworfen werden.

Wenn die Probe die Membran gefüllt hat, fließt sie weiter zum Absorptions-Pad, das wie ein Docht wirkt. Das Absorptions-Pad saugt die Probe auf und dieser Sog transportiert die Probe durch den Teststreifen, bis das Absorptions-Pad vollständig mit der Probe gefüllt ist.

Vorschau für das Modell

Im nächsten Blog-Beitrag dieser Serie werden zwei Modelle des LFA-Schnelltests vorgestellt. Sie zeigen einige der Merkmale, die von Wissenschaftlern, die mit der Entwicklung dieser Tests arbeiten, experimentell beobachtet werden. Zu diesen Merkmalen gehört, wie der Durchfluss von der Sättigung des Porenvolumens der flüssigen Probe abhängt. Bleiben Sie dran und lesen Sie den nächsten Beitrag!

COMSOL Multiphysics-Modell eines Teststreifens, das zeigt, wie sich die Probenflüssigkeit über 2, 3, 4 und 5 Sekunden ausbreitet.
Ausbreitung der flüssigen Probe im Teststreifen. Die Simulation zeigt, dass die Probe ein flaches Geschwindigkeitsprofil entwickelt, sobald sie etwa ein Drittel des Konjugat Pads erreicht hat.

Referenzen

  1. T. Kilic, R. Weissleder, and H. Lee, “Molecular and Immunological Diagnostic Tests of COVID-19: Current Status and Challenges”, iScience, vol. 23, no. 101406, 2020, (https://www.cell.com/iscience/pdf/S2589-0042(20)30596-4.pdf).
  2. B.G. Andryukov, “Six decades of lateral flow immunoassay: from determining metabolic markers to diagnosing COVID-19”, AIMS Microbiology, vol. 6, no. 3, pp. 280–304, 2020, (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33134745/).
  3. “Rapid Lateral Flow Test Strips, Considerations for Product Development”, Merck Millipore, 2013 EMD Millipore Corporation, Billerica, MA, USA.

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